Postionspapier Herbst 2015

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Positionspapier „Herbst 2015“ Landeselternbeirat Grundschulen und Förderzentren

(1) Flüchtlinge
(2) Inklusion
(3) Schulische Assistenz
(4) Unterrichtsausfall und Unterrichtsqualität
(5) Zeugnisse
(6) Koordination im Bildungsbereich

Flüchtlinge
Der Landeselternbeirat Grundschulen und Förderzentren fordert die Bildungspolitik auf, angemessen auf den Zustrom an Flüchtlingen zu reagieren. Wir sind sehr verun-sichert und befürchten, dass eine Integration der Flüchtlinge in das Bildungssystem viele Probleme mit sich bringen wird.
Wir befürchten, dass es durch die Flüchtlinge weitere Verschlechterung der Unterrichtsversorgung sowie der -qualität geben wird. Auf Bundesebene wird bereits eine Absenkung von Standards diskutiert. Die Präventionsarbeit an den Schulen durch die Polizei wurde bereits eingestellt.
Wir wünschen uns Richtlinien für die Unterbringung von Flüchtlingen auf Schulgeländen bzw. direkt angrenzenden Grundstücken.
Wir sehen ein Spannungsfeld bei der Erreichbarkeit der DAZ-Zentren und -Klassen durch die zu beschulenden Flüchtlinge in Abhängigkeit von Wohnort-nähe und Zentralisierung. Dies ist landesweit in den Kreisen unterschiedlich ausgeprägt und erfährt deshalb verschiedene Auswirkungen und Belastungen.
Wir halten es für unverantwortlich, Kinder ohne Überprüfung der Schulfähigkeit nur aufgrund von zeitlich zu durchlaufenden Phasen in den regulären Schulall-tag zu integrieren. Wichtig ist uns, neben den Sprach- und Bildungskompeten-zen die medizinische Versorgung und den Gesund¬heitszustand der Kinder zu überprüfen, bevor sie in die Schule kommen. Hierzu zählen wir insbesondere psychische Auffälligkeiten und Traumata, deren Auswirkungen Mitschüler, Lehrkräfte und die Schulgemeinschaft ausgesetzt werden und für deren Um-gang ausreichende Qualifizierungen erfolgen und Unterstützungsmöglichkei-ten vorgehalten werden müssen.
Bislang wird erst ein Bruchteil der Flüchtlinge im regulären Schulsystem beschult. Die Art und Weise wie Veränderungen im Bildungssystem in den letzten Jahren durchge¬führt wurden, bestärkt uns in der Befürchtung, dass die Integration der Flücht-linge in das Bildungssystem viele Probleme mit sich bringen wird.
Gleichwohl bekennen wir uns zu den humanitären Verpflichtungen und zur Bildung als weltweites Menschenrecht als Grundlage für die Aufnahme und Beschulung wäh-rend des Aufenthalts in unserem Land und der Gesellschaft.

Inklusion
Zum Anspruch, die Inklusion nicht nur quantitativ sondern v.a. qualitativ weiter zu entwickeln, fehlen dem Landeselternbeirat eine erkennbare Zielrichtung, konkrete Konzepte und Vorgaben.
Wir haben immer noch den Eindruck, dass Vieles nicht zu Ende gedacht wurde.
• Förderzentren wurden geschlossen, ohne vergleichbare Unterstützung innerhalb des regulären Schulsystems zu etablieren.
• An den Schulen fehlen Personal und Wissen um Kinder, insbesondere im sozial-emotionalen Bereich, inklusiv zu unterrichten.
Wer die Qualität der bisherigen Förderung beibehalten (oder sogar steigern) will, muss massiv ins Personal investieren. Gleichzeitig erfordert eine gelingende, inklusi-ve Beschulung flächendeckende Investitionen und Standards in bauliche Ausstattung wie Räume zur Differenzierung, Rückzug und Betreuung für Schülerinnen und Schü-ler sowie Beteiligte der 'Multiprofessionellen Teams' aus allen Bereichen.
Zudem gibt es keine gesicherte Erkenntnis darüber, welche Folgen die Schließung der Förderzentren hat. Die Rechte und Möglichkeiten der Betroffenen und ihrer Fami-lien, die sich gegen eine inklusive Beschulung und für eine besondere Förderung für ihr Kind einsetzen und bemühen, verschlechtern sich mit abnehmenden Angeboten. Die aktuellen Erkenntnisse zu benötigten Peer-Gruppen unter Gleichen, Personenbe-förderung, unter¬schiedlichen Regelungen unter den Kreisen und fehlenden Beratun-gen und Kompetenz¬zentren auch auf einen Wiedereinstieg nach Rückkehr aus inklu-siven Bildungsphasen weisen in buchstäblich vielfältige Richtungen.
Inklusion setzt voraus, dass es gut ausgebildete Pädagogen in ausreichender Anzahl an den Regelschulen gibt, so dass es möglich wird, dass alle Kinder gemeinsam mit ihren jeweiligen individuellen Fähigkeiten an einem gemeinsamen Thema arbeiten. Hinzu kommen bauliche und materielle Gegebenheiten, so dass eine barrierefreie Bewegung möglich ist und eine pflegerische Versorgung in allen hygienischen Be-langen gewährleistet werden kann. Die materielle und räumliche Ausstattung sollte auch der Förderung von Kindern mit erhöhtem Assistenzbedarf gerecht werden kön-nen. Wichtig ist, dass alle Kinder nicht nur die Möglichkeit der Teilhabe haben, son-dern auch individuell bestmöglich gefördert werden. Das Konzept lässt offen, wie die-se Voraussetzungen geschafft werden sollen.
Die gestiegene Anzahl an Schulbegleitung ist für uns ein Indiz dafür, dass Schule oftmals mit den Aufgaben der Inklusion überfordert ist. In der schulischen Realität und Alltag erfüllen viele Schulbegleiter die rettende Funktion eines Strohhalmes, in dem sie bspw. Aufsichten und Vertretungen übernehmen. Diese Schulbegleitungen halten zurzeit ein geschwächtes Bildungssystem am Laufen. Wir sind dankbar, dass diese Menschen – oft¬mals unter ungesicherten Arbeitsbedingungen – das Bildungssystem stützen. Jedoch sollten Bildung und Erziehung die gesellschaftliche Priorität haben, die eine Ausstattung und Tätigkeit von ausreichendem, qualifiziertem Personal mit entsprechenden Arbeitsverträgen an unseren Schulen bereitstellt. Schulbegleitungen können nicht die Lösung für ein nicht ausfinanziertes Inklusionskonzept sein. Im Ide-alfall ist jede Schule so mit einem multiprofessionellen Team, zu dem auch die Schu-lassistenzen gehören, ausgestattet, dass die individuell zu beantragende Schulbe-gleitungen hinfällig werden.
Der Landeselternbeirat Grundschulen und Förderzentren steht der Inklusion positiv gegenüber. Wir sehen diese als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, an der gemeinsam mit allen Akteuren unter Berücksichtigung vieler Perspektiven gearbeitet werden muss. Wichtig ist uns dabei die Vielfalt der individuellen Situationen nicht aus den Augen zu verlieren. So müssen der gebundene Ganztag, der offene Ganztag und auch das 'Lernen an ausserschulischen Orten' (bspw. die Durchführung von Exkursi-onen, Klassenfahrten usw.) mitgedacht werden. Auch darf es nicht zum Ausschluss vom Unterricht kommen, wenn Schulbegleiter fehlen. Ein ausgereiftes Inklusionskon-zept muss alle Kinder, auch die mit dem Förderbedarf geistige Entwicklung und mehr-facher Körperbehinderung mitberücksichtigen.
Entsprechende Schulen dürfen nicht als „Resteschule“ von der Gesellschaft isoliert werden. Die begrenzten Ressourcen müssen sinnvoll eingesetzt werden. Dabei muss man sich bewusst sein, dass auf dem Wege zur inklusiven Schule zumindest zum jetzigen Zeitpunkt nicht jede Schule für alle Förderbedarfe geeignet sein kann. Vielmehr ist zumindest zum jetzigen Zeitpunkt noch eine lokale Schwerpunktbildung notwendig.
Wir befinden uns mitten im Übergang vom segregativen zum inklusiven Schulsystem. Die Rückschau zeigt uns, dass alte Strukturen schneller abgebaut als neue wiederer-richtet und etabliert wurden. Die dadurch entstehende Lücke wird, trotz guter Maß-nahmen wie z.B. Schulassistenzen, immer größer. Dies belastet die aktuell betroffe-nen Kinder und führt zu einer „verlorenen Generation“, die nicht mehr zurückgeholt werden kann. Der ursprüngliche Grundgedanke der Teilhabe Aller wird somit ad ad-surdum geführt. Wir fordern die Entwicklung und Umsetzung von Standards, die das Schaffen und Abbauen von Strukturen so koordinieren, dass keine Lücken entstehen.
Abschließend sei zu diesem Punkt darauf hingewiesen, dass die „Rückläufer“ aus nicht gelungener inklusiver Beschulung und die Flüchtlingskinder mit Behinderung zu zusätzlichen personellen Engpässen an Förderzentren für geistige Entwicklung führen, die auf der Basis der pauschalen Zuweisung in keiner Wiese aufgefangen wer-den und auch dort zu Verschlechterungen für alle Beteiligten (Schüler und Mitarbeiter) führen. Auch diesen Missstand wollen wir nicht akzeptieren.


Schulische Assistenzen
Der Landeselternbeirat steht der Idee einer inklusiven Grundausstattung an den Schulen und den Schulassistenzen als solch einem Bestandteil positiv gegenüber. Im Idealfall sollte ein Schulbesuch für alle möglich sein, ohne dass es notwendig ist, dass Eltern für ihre Kinder bspw. eine individuelle Schulbegleitung beantragen müs-sen. Eine schulische Assistenzkraft an jeder Grundschule ist ein Schritt in die richtige Richtung, jedoch ist es nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Wir halten es jedoch für notwendig, dass das Konzept überprüft, weiterentwickelt und angepasst wird.
Besonders deutlich werden der schlechte Fortschritt und die Akzeptanz des Inklusi-ons¬konzeptes in der öffentlichen Wahrnehmung bei der Projektumsetzung der Einfüh-rung der schulischen Assistenzen. Die Einstellung der schulischen Assistenzkräfte im Landesdienst wurde von Anfang August, auf Anfang November und nun auf Januar 2016 verschoben. Bis heute gibt es große Verunsicherung bei den Aufgaben der schulischen Assistenzen und der Frage inwieweit Assistenzen die Aufgabe von Schulbegleitungen übernehmen können.
Wir fordern eine Klarstellung auch der kommunalen Träger, dass Aufgaben der individuellen Schulbegleitungen nicht mit Aufgaben der schulischen Assisten-zen verrechnet werden können und sollen.
Auch halten wir es für notwendig, dass das Anforderungsprofil und die Qualifi-kationen der schulischen Assistenzen weiter geschärft werden.
Wir befürworten ggf. die Übernahme pädagogischer Aufgaben und die Unter-stützung des Unterrichts durch Schulische Assistenzen und fordern hierfür ent-sprechende Qualifikationsstandards. Wenn eine schulische Assistenz eine Klasse allein beaufsichtigt, ist das in unseren Augen Vertretungsunterricht durch eine schulische Assistenz, auch wenn die Klasse ein Arbeitsblatt von einer Lehrkraft erhalten hat. Wir befürchten, dass nicht aus¬rei¬chend qualifizier-te Personen solchen Unterricht erteilen und Vertretungen über¬nehmen. Eigen-verantwortliches Lernen ist an den Grund¬schulen und Förderzentren jedoch nur bedingt möglich!

Unterrichtsausfall und Unterrichtsqualität
Die Erfassung und das Monitoring der Bildungsqualität zeigen deutliche Defizite. Wir brauchen eine transparente Erfassung von Fehlstunden, um Defiziten entgegenzu-steuern. Bildung muss wieder eine solche gesellschaftliche Priorität und Wertschät-zung erhalten, dass permanenter Unterrichtsausfall und damit verschenkte Bildungs-chancen nicht hingenommen werden.
Wir fordern personell besser ausgestattete Vertretungskonzepte. Die Praxis hat ge-zeigt, dass an den Grundschulen und an den Förderzentren eigen verantwortliches Arbeiten nur bedingt möglich ist. In der Praxis werden im Vertretungsfall vielfach Klassen aufgeteilt und anderen Lerngruppen zugeordnet, um dort beaufsichtigt zu werden.
Wir fordern ein besseres Qualitätsmonitoring. Hierzu gehört in unseren Augen eine professionelle Nutzung der Ergebnisse der bereits national durchgeführten Ver-gleichsarbeiten (VERA).
Ferner müssen ausfinanzierte Lehrerfortbildungen verpflichtend angeboten werden.

Zeugnisse
Die Entwicklung der Grundschul-Kompetenz-Zeugnisse lässt deutliche Schwächen in der Projektplanung erkennen. Innerhalb der Elternvertretung ist die Akzeptanz der neuen Zeugnisse, die zumindest in den Schuljahren 1 und 2 innerhalb von 3 Jahren verbindlich zu verwenden sind, so sehr gering. Die Beurteilung des Lernstatus der Kinder ist völlig unklar und verunsichert viele Eltern. Die Frage, ob die Einschätzun-gen der Lehrkräfte unterschiedlicher Schulen im Ergebnis vergleichbar sind, bleibt völlig offen.
Schulen, die im letzten Schuljahr die Notengebung in den Klassenstufen drei und vier abgeschafft haben und mit viel Engagement eigene tabellarische Zeugnisse entwi-ckelt haben, müssen nun auch innerhalb von drei Jahren die vom Ministerium vorge-gebenen Formulare verwenden.
Auch diese Zeugnisse geben eine Momentaufnahme, sind damit nicht mit dem Kon-zept einer Ganzjahresnote vereinbar. Entwicklungen werden nicht aufgezeigt.
Die Zeugnisse sind nicht für alle Eltern leicht verständlich. Auch die Kinder werden Schwierigkeiten haben ihr eigenes Zeugnis zu verstehen. Obwohl der Wortlaut dann an allen Standorten gleich ist, wird mit den Zeugnissen das Ziel der besseren Ver-gleichbarkeit nicht erreicht. Bislang gibt es keine Erläuterung was die einzelnen Ka-tegorien bedeuten. Was unterscheidet z.B „Engagement sicher“ von „Engagement teilweise sicher“?
Die Aussagekraft des Zeugnisses wird nicht besser, wenn Bereiche bewertet werden müssen, die im Unterricht nicht verankert sind. So werden im Bereich Mathematik in den Klassenstufen eins und zwei die Bereiche „Daten, Häufigkeit, Wahrscheinlich-keit“ und „Größen und Messen“ bewertet. Beide Bereiche spielen im Unterricht nur eine untergeordnete Rolle, da sie im Lehrplan nicht verankert sind.
Ferner sehen wir die Abschaffung einer schriftlichen Übergangsempfehlung kritisch. Dieses pädagogische Instrument ist den Lehrkräften aus der Hand genommen.

Koordination im Bildungsbereich
Bereits an den einzelnen Schulen gibt es eine unüberschaubare Vielfalt von Lernmit-teln, Lehrmethoden und Lernzielen. Innerhalb der Kreise und Schulträger gibt es un-terschied¬liche bauliche Ausstattungen, die sich auch in der Infrastruktur, den Res-sourcen sowie bspw. sogar in der Bereitstellung von 'Multiprofessionellen Teammitar-beitern' vor Ort aus¬wirken. Die abweichenden Regelungen erschweren eine Fluktua-tion (Umzüge) inner¬halb des eigenen Bundeslandes genauso wie die unterschiedli-chen Gesetze und Ausführungen in benachbarten Ländern.
Bundesweit werden Bildungsstandards entwickelt und von der KMK beschlossen. Die verschiedenen Bundesländer entwickeln dann aber völlig unabhängig voneinan-der an den konkreten Umsetzungen (z.B. Fachanforderungen in Schleswig-Holstein). Dadurch kann der Fortschritt einer bundesweiten Vorgehensweise auf Länderebene verwässert oder gar unterlaufen werden.
Wir fordern eine Abkehr vom Bildungsföderalismus und setzten uns dafür ein, dass Bildung nicht noch weiter dezentralisiert, sondern übergreifend gestaltet und gefördert werden kann.

2015_positionspapier.pdf
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